Weshalb
beugen sich die Gräser der Steppe im Wind?
Weil
sie ihm dafür danken, dass er ihre Samen davonträgt.
Weshalb
sammelt sich das Wasser immer an der tiefsten Stelle?
Weil
es der einfachste Weg ist und sich selbst der Mächtige zu ihm herabbeugt, um es
zu trinken.
Weshalb
verbrennt Feuer?
Damit
es Platz schaffen kann für die Samen der Gräser und den fallenden Regen.
Und
was haben Wind, Wasser und Feuer gemeinsam?
Sie
sind Diener der Erde, Diener des Lebens in dessen ewigem Kreislauf.
Spruch der Sulwakaj
Lesevorschau "Rowanjas Rache":
Unfähig
sich zu rühren, musste Rowanja mit ansehen, wie er mit Augen, die tot und
starr in den grauen Himmel blickten, an ihr vorüber trieb und vom Fluss Aaren davongetragen wurde. Erst als ein weiterer Pfeil zischend neben ihr
im Wasser verschwand, wurde Rowanja aus ihrer Erstarrung gerissen. Es
waren die beiden Königswachen am Ufer, die Armbrüste in den Händen hielten und
abermals auf sie zielten. Auch die vier Königlichen, die in den Fluss gestiegen
waren, kamen näher. Panisch schlug Rowanja um sich, kämpfte sich mit Tränen in
den Augen voran. Bald schon jedoch musste sie schwimmen. Auch wenn der Strom
träge war, so trieb sie doch ein ganzes Stück weit nach Osten ab, ehe sie die
andere Uferböschung erreichte. Ihren Verfolgern erging es ähnlich, dennoch
schafften es die vier Männer etwas früher und einige Schritte weiter flussaufwärts
ans Ufer, da sie die ganze Strecke durch den Grenzwald geritten und daher kaum
erschöpft waren. Mit Armen schwer wie Blei zog sich Rowanja die Uferböschung
hinauf und versuchte dort auf die Beine zu kommen, als sie einen brennenden
Schmerz in ihrer rechten Schulter spürte. Sie stolperte vorwärts, wandte ganz
leicht den Kopf nach rechts. Auch sie hatte ein Pfeil getroffen, doch offenbar
war der Treffer nicht tödlich. Dennoch war alles vergeblich gewesen, die Lage
aussichtslos. Die vier Königlichen bauten sich vor ihr auf, während hinter ihr
der Aaren dahinströmte, an dessen anderem Ufer drei weitere Männer und die
Bluthunde warteten. Schwer
hob und senkte sich Rowanjas Brust, müde hingen ihre Arme an ihren Seiten
herab. Wie in Trance blickte sie auf ihre rechte Hand, von der Blut in das Gras
Assmadors tropfte. Rowanjas Sicht verschwamm, sie versuchte zu blinzeln, doch
ihre Augenlider fühlten sich ebenso schwer an, wir ihre Beine. Während die vier
Männer näherkamen, sank Rowanja Asarys auf die Knie.
Unendlich
langsam verstrich die Zeit, wie zäher, klebriger Schleim, der an ihr haftete.
So zumindest kam es ihr vor, während sich ihr die königlichen Wachen näherten. Und
dann war da noch ein Geräusch. Hufschlag erklang, offenbar hatten die anderen
beiden Männer den Aaren ebenfalls überquert. Rowanja hob den Kopf. Das Pferd,
das sich in rasendem Galopp näherte, trug einen sonderbaren Reiter, der keine
Ähnlichkeit mit den Königlichen aufwies. Unglaublich schnell preschte das dunkelbraune
Pferd heran. Die Königlichen wirbelten herum, doch da raste das Tier schon
zwischen sie hindurch. Rasch zückte sein Reiter einen langen Krummsäbel – und
trennte einem der Wachen den Kopf von den Schultern. Armbrustpfeile zischten
über den Aaren heran, aber das große Pferd und sein Reiter waren schon außer
Reichweite. Doch sie kehrten zurück! Wie ein Sturmwind kamen sie über Rowanjas
Verfolger, dieses Mal sprang der Reiter herab, direkt zwischen die drei
verblieben Wachen. Was dann geschah, würde Rowanja nie vergessen. Trotz
Schwerter und Äxte in den Händen der besten Krieger Malduriens, trotz
flirrender Pfeile fällte der fremde Krieger die Männer in nur wenigen
Augenblicken. Der Krummsäbel trennte einen weiteren Kopf ab, legte Gedärme frei
und fuhr dem letzten der Männer mitten ins Herz. Noch ehe dieser auf dem Boden
aufschlug, wirbelte der Krieger Assamdors herum zu seinem Pferd, schnappte sich
Pfeil und Bogen und jagte einen Pfeil nach dem anderen über den Aaren. Zwei
weitere Wachen starben, der Hundeführer nahm die Beine in die Hand und floh.
Der
anschließende Triumphschrei des Nomaden fuhr Rowanja durch Mark und Beine,
versetzte sie in Schockstarre. Dann verstummte er, wandte sich ihr zu und trat
näher. Ein langer, braun-grüner Umhang wehte um seine in Lederschuhe steckenden
Füße, sein langes Haar war nach hinten zu einem Zopf geflochten, an den Seiten
war sein Schädel kahlrasiert. Den blutigen Krummsäbel hielt er noch in Händen.